Veronika Jungblut
Leben einer Balletttänzerin
Von Justus Wirth und Sophie Fink

I. Karriere
Von Adidasklamotten und John Cranko

Veronika Jungblut ist am 25. 11. 1999 in Augsburg zur Welt gekommen. Mit sieben Jahren kommt sie mehr oder weniger durch einen glücklichen Zufall zum Ballett. Damals war es für sie noch unvorstellbar, dass dieses Hobby einmal zu ihrem Beruf werden sollte.
In den kommenden Jahren lernt Veronika den Tanzsport kennen und lieben. Von 2008 bis 2014 trainiert sie in der Ballettschule "Exercice" unter der Leitung von Olga Moser. Ballett nimmt immer mehr Raum in ihrem Leben ein, fünf Tage die Woche hat sie Training. Für andere Dinge bleibt da wenig Zeit. Am Anfang ist das noch kein Problem, aber mit dem älter werden entwickeln sich auch andere Interessen. Die 14-jährige Veronika will sich mit Freundinnen treffen, an Schulprojekten teilnehmen, einfach wieder ihre Zeit frei gestalten können.
Nach sieben Jahren meldet sie sich von ihrer Ballettschule ab. Eigentlich will sie komplett aufhören.
Aber lange hält Veronika es nicht aus, so ganz ohne Tanz.
"Ich vermisse Ballett sehr schnell"
Mit "ihm" meint Veronika ihren Ballettlehrer István Németh. Er unterrichtet gemeinsam mit seiner Frau Natalie Böck-Németh am "Dance Center Number One" in Augsburg. Die beiden sind ehemalige Profi-Balletttänzer*innen. Sie erkennen Veronikas Potential wortwörtlich auf den ersten Blick.
Und dann geht alles ganz schnell: Aus den von Veronika anfangs angestrebten drei Trainingstagen werden fünf pro Woche. Sie will alles wissen, arbeitet an sich, ist offen und zugänglich für neue Stile. Perfekt für István Németh, der selbst choreografiert. Mit Veronika hat er eine Schülerin dazugewonnen, die seine Ideen mit Elan umsetzt. Eine Koproduktion der beiden ist zum Beispiel "The Way up" von 2017, in dem die 16-jährige Veronika das Dach der Ballettschule auf Spitzenschuhen "erklimmt":
"The Way Up"
Veronika schätzt an ihrem Lehrer, dass sie mit ihm so professionell arbeiten kann-fast wie im echten Theater! Wenn es nach István Németh geht, dann gehört seine Schülerin auch genau dort hin. Er fördert Veronika besonders, motiviert sie, den nächsten Schritt zu gehen und unterstützt sie bei ihrer Bewerbung an der Ballettakademie, ohne ihr dabei Druck zu machen. Durch die intensive Zusammenarbeit entsteht ein familiäres Verhältnis. Das bleibt auch bestehen, als Veronika nach zwei Jahren weiterzieht, um ihre professionelle Ausbildung zur Balletttänzerin zu beginnen.
"Die beiden sind einfach Begleiter. Meine Ballett-Eltern!"



Mit 16 Jahren verlässt Veronika ihr Augsburger Nest und kommt in den folgenden Jahren ganz schön in Deutschland rum.
An der John Cranko Schule in Stuttgart absolviert Veronika ihre professionelle Ausbildung. Nebenbei macht sie ihr Abitur. Da hat sie sich viel vorgenommen: Morgens Ballettprobe- abends Schule. Für Erholung geschweige denn die Freizeitgestaltung einer durchschnittlichen Jugendlichen bleibt kaum Zeit. Aber wenn Veronika sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie das auch durch:
Ein Jahr verbringt Veronika am Theater Magdeburg. Obwohl sie nur Praktikantin ist, bekommt sie die Möglichkeit, erste Solorollen für ein Theater zu tanzen. Eine Anschlussstelle zu finden, erweist sich erst einmal als schwierig... (siehe III.)
Nach einem Jahr ohne Kompanie schließt sich Veronika dem Landestheater Detmold an. Während der Coronazeit herrscht auch im Theater Ausnahmezustand. Premieren werden verschoben/abgesagt, in ihrem ersten Jahr kann nur ein Stück geprobt werden. Mit den Lockerungen kommen dann mehr Erfahrungen im Theaterbetrieb dazu.
Als Veronika 2024 eine Stelle im Staatsballett Karlsruhe bekommt, geht für sie ein lang währender Wunsch in Erfüllung...
Veronika hat es geschafft!

Das ist doch erst der Anfang!

II. Alltag
Von Zahnseide und Körperspannung

Die Kunst des Tanzens besteht darin, die Anstrengung unsichtbar zu machen. Was im Theater schön und federleicht anzuschauen ist, bedarf viel Vorbereitung. Wer glaubt, Balletttänzer*innen würden kaum etwas essen und nur an der Stange trainieren, liegt falsch. Um zu so einer Leistung fähig zu sein, muss Veronika in ihrem Alltag einiges beachten.
Veronika konzentriert sich. Sie muss verschiedenste Choreografien gleichzeitig im Kopf haben und sollte nicht durcheinanderkommen - sonst sieht es ganz schnell blöd aus. In der Einstudierungsphase lernen die Tänzer die Schritte auf "Counts". Das bedeutet sie müssen in ihrem Kopf ein ganzes Musikstück durchzählen. Wenn Veronika ihre "Hausaufgaben" macht, tut sie genau das. Nach einigen Proben muss sie nicht mehr zählen. Die Choreografie ist dann fest im Körper verankert. Bei manchen Stücken und vor allem bei Gruppenszenen bleibt zählen aber trotzdem die sicherste Option.
Damit die Ballettschuhe perfekt sitzen, müssen die Tänzer*innen selbst Hand anlegen. Manche nutzen zum Nähen Zahnseide, die ist stärker, berichtet Veronika.
Im Ballett gibt es natürlich nicht nur den klassischen Tanz, wie man ihn aus dem "Schwanensee" kennt, es existieren ganz verschiedene Stile. Es wird in Spitzenschuhen, Schläppchen und manchmal gar barfuß getanzt. Hier probt Veronika die Rolle der Waldgöttin in "Das Mädchen und der Nussknacker", eine Neuinterpretation des Klassikers "Der Nussknacker", choreografiert von der ehemaligen Kalrsruher Ballettdirektorin Bridget Breiner. Das liegt Veronika, sie war schon immer offen für die ganze Vielfalt und Kombination der Tanzstile (siehe I.).
Jede Linie, jeder Winkel muss stimmen. Um die Posen und Sprünge so ausführen zu können, braucht Veronika Körperspannung und Dehnbarkeit. Erfolgreich ist, wer seinen Körper kennt, ihn genau fühlt, und vor allem auf ihn hört (siehe III.). Yoga ist für Veronika ein gutes Mittel dazu.
Ballett ist Sport. Das Energielevel hochzuhalten ist extrem wichtig, wenn man die Ausdauer haben will, so oft, lange und intensiv den Körper zu beanspruchen. Veronika verzichtet auf Booster, sie gibt ihrem Körper die Möglichkeit sich selbst zu regenerieren. Das geht zum Beispiel, indem man viel schläft und zur richtigen Zeit das richtige Essen zu sich nimmt.
In Karlsruhe gab es im Sommer 2024 einen Intendanzwechsel. Auch die Kompanie durfte zur neuen Spielzeit viele neue Gesichter begrüßen. Veronika ist eine von 16 neuen Tänzer*innen. Die Gruppe wächst immer enger zusammen, findet Veronika, man trifft sich auch außerhalb des Ballettsaals. Das Gefühl hatte sie auch schon in Detmold. In Karlsruhe geht alles sehr geordnet zu.
"Es ist das Professionelle, was ich vermisst habe in anderen Kompanien"
III. Herausforderungen
Von Audition und Ruhestand

"Ich versuche nicht besser zu tanzen, als alle anderen. Ich versuche nur besser zu tanzen als ich selbst."
Ich muss mich beweisen!
Die Plätze in einer Kompanie sind begehrt - Solorollen genauso. Wie man mit dem Druck umgeht ist so individuell wie die Tänzer*innen selbst. Jeder bevorzugt seine eigenen Methoden und Stile.
Irgendwann ist Schluss!
Die älteste Tänzerin, mit der Veronika zu tun hatte, war 42 Jahre alt. Wie in jedem Profisport, ist der Körper ab einem bestimmten Alter nicht mehr in der Lage diese Höchstleistungen konstant abzurufen. Ruhestand kommt danach alleine schon wegen des Geldes nicht in Frage, man braucht einen Plan für das Leben nach der aktiven Karriere.
Mein Körper macht nicht alles mit!
Eine schwere Verletzung kann ein verfrühtes Karriereende herbeiführen. Eine leichtere, wie Veronikas zeitweise verstauchter Fuß, wirft eine*n Tänzer*in mehrere Wochen im Training zurück. Der Rückstand muss dann aufgeholt werden, Physiotherapie und Aufbautraining stehen auf dem Programm.

"Ich habe Ballett immer als Challenge gesehen."
